Patienten, die an Immundefekten leiden, weisen eine Störung der eigenen Immunabwehr auf. Aufgrund eines Antikörpermangels können sie keinen ausreichenden Immunschutz aufbauen und sind schlecht gegen Infektionen geschützt. Immundefekte können entweder angeboren (primär) oder erworben (sekundär) sein.
Hintergrund
Wir kommen täglich mit Bakterien, Viren, Pilzen oder anderen Krankheitserregern in Kontakt. Wir atmen sie ein, nehmen sie durch die Nahrung auf, kommen über die Haut in Kontakt mit ihnen oder sie werden durch andere Menschen auf uns übertragen. Um eine Ansteckung mit Krankheitserregern – eine so genannte Infektion - zu verhindern oder zu bekämpfen, besitzt der Körper ein eigenes Abwehrsystem: das Immunsystem.
Kommt ein gesunder Mensch mit einem Krankheitserreger in Berührung werden seine weißen Blutkörperchen (Leukozyten) aktiv, um den Erreger durch Herstellung oder Vervielfältigung von körpereigenen Abwehrstoffen (Antikörper) unschädlich zu machen.
Es erstaunt nicht, dass dieses hochkomplizierte System an den unterschiedlichsten Stellen Defekte aufweisen kann. Menschen mit einem angeborenen Immundefekt besitzen nur eine eingeschränkte Fähigkeit, auf Infektionen zu reagieren und diese effektiv zu bekämpfen.
Immundefekte lassen sich in zwei Kategorien unterteilen:
- Primärer (angeborener) Immundefekt
- Sekundärer (erworbener) Immundefekt
Bei vielen Formen des Immundefektes wird eine Behandlung mit Immunglobulinen (Ig) angewendet. Immunglobuline sind Antikörper, die im Blut gesunder Menschen vorhanden sind. Sie werden von bestimmten weißen Blutkörperchen (Plasmazellen, die sich aus B-Lymphozyten entwickelt haben) produziert. Die Antikörper werden in das Blut abgegeben und dienen dort der Abwehr von Infektionen und bekämpfen krankheitserregende Bakterien, Viren oder Pilze. Antikörper lassen sich in fünf Gruppen einteilen: IgG, IgA, IgM, IgE und IgD.
Erfahren Sie mehr über Primärer und sekundärer Immundefekt.
Ein Immundefekt kann angeboren (primär) sein, und sowohl im Kleinkind- als auch im Erwachsenenalter diagnostiziert werden.
Bei der am häufigsten vorkommenden Form des primären Immundefekts ist der Körper nicht oder nur in begrenztem Ausmaß in der Lage, Antikörper zu bilden und muss deshalb von außen zusätzlich Antikörper (Immunglobuline) zugeführt bekommen.
Ein erworbener (sekundärer) Immundefekt kann viele Ursachen haben, ist aber in jedem Fall die Folge einer anderen Grunderkrankung oder deren Therapie. Mögliche Ursachen für die erworbene Beeinträchtigung des Immunsystems können bestimmte Blutkrebsarten sein oder Therapien, die das Abwehrsystem unterdrücken (z. B. Medikamente, die nach einer Transplantation eingenommen werden müssen, damit das neue Organ nicht vom Körper abgestoßen wird).
Erfahren Sie mehr über Primärer und sekundärer Immundefekt.
Typische Symptome und Warnhinweise
Die typischen Symptome und Warnhinweise unterscheiden sich bei Kindern und Erwachsenen.
Erwachsene
Zwei oder mehr der folgenden Warnzeichen können einen Hinweis auf einen primären Immundefekt darstellen:
- Vier oder mehr Infektionen innerhalb eines Jahres, die mit Antibiotika behandelt werden mussten
- Zwei oder mehr schwere bakterielle Infektionen
- Zwei oder mehr radiologisch nachgewiesene Lungenentzündungen innerhalb von drei Jahren
- Infektionen mit ungewöhnlicher Lokalisation oder mit ungewöhnlichem Erreger (z. B. Hirnabszess durch den Schimmelpilz Aspergillus)
- Primärer Immundefekt in der Familie
Kinder
Wenn ein Kind zwei oder mehr der folgenden Warnzeichen aufweist, sollte mit einem Arzt abgeklärt werden, ob ein primärer Immundefekt zugrunde liegen könnte:
- Mehr als zwei Lungenentzündungen pro Jahr
- Mehr als zwei schwere Nasennebenhöhlenentzündungen im Jahr
- Mehr als acht neue Mittelohrentzündungen im Jahr
- Schwere Infektionen der Hirnhäute (Meningitis), der Knochen (Osteomyelitis) oder des gesamten Körpers
- Dauerhafter Pilzbefall im Mund oder anderswo nach dem ersten Lebensjahr
- Erkrankungen durch normalerweise ungefährliche Bakterien (z. B. atypische Mykobakterien)
- Wiederkehrende tiefe Haut- oder Organabszesse
- Unklare chronische Rötungen an Händen und Füßen bei Säuglingen
- Mehr als zwei Monate Antibiotikatherapie mit nur geringer Wirkung
- Komplikationen bei Impfungen mit Lebendimpfstoffen
- Geringes Wachstum, geringes Körpergewicht
- Angeborener Immundefekt in der Familie
Erfahren Sie mehr über Primärer und sekundärer Immundefekt.
Diagnose
Führen die oben beschriebenen Warnzeichen zu einem Arztbesuch, so kann dieser nach eingehender Befragung der Patienten eine Blutuntersuchung durchführen. Je nach Symptomen können unterschiedliche Fachärzte zuständig sein: Allgemeinärzte, Kinderärzte, Allergologen/Immunologen, Hämato-Onkologen, Internisten oder Lungenfachärzte. Die Blutuntersuchung bleibt aber gleich.
Mit Hilfe einer speziellen Labordiagnostik kann ein großer Teil der Immundefekt-Patienten identifiziert werden:
- Differentialblutbild (Analyse der Konzentration und des Anteils der unterschiedlichen Leukozyten im Blut)
- Bestimmung der Konzentration der Immunglobuline nach Subklassen aufgeteilt im Blutplasma
Sollte die Blutuntersuchung keine Abweichung von den Normwerten zeigen, kann eine weitere, sehr differenzierte Diagnostik in Bezug auf Defekte der unterschiedlichen Typen von weißen Blutkörperchen (Leukozyten) durchgeführt werden.
Erfahren Sie mehr über Primärer und sekundärer Immundefekt.
Behandlung
Es gibt verschiedene Möglichkeiten zur Behandlung von Menschen mit einem Immundefekt. Welche Behandlung die richtige ist, hängt jeweils vom ganz speziellen Krankheitsbild und der medizinischen Vorgeschichte des Patienten ab.
Die Behandlung mit Immunglobulinen ersetzt für einen gewissen Zeitraum einige der IgG-Antikörper im Blut, die fehlen oder nicht richtig funktionieren. IgG-Antikörper machen 70 % aller Antikörper aus und leisten die Hauptarbeit der Infektabwehr. Ziel einer Immunglobulintherapie ist deshalb in den allermeisten Fällen, dafür zu sorgen, dass sich genügend IgG-Antikörper im Blut befinden, um den Körper effektiv vor Infektionsrisiken zu schützen.
Die Immunglobulintherapie kann einen Immundefekt zwar nicht heilen, aber sie unterstützt das Immunsystem und senkt so das Infektionsrisiko.
Die Immunglobuline, die dem Patienten verabreicht werden, stammen aus dem Blut eines gesunden Spenders. Bei regelmäßiger Anwendung können sie die Häufigkeit und den Schweregrad von Infektionen durch Bakterien und Viren reduzieren. Dies kann zu weniger Fiebertagen und Krankenhausaufenthalten führen und die Lebensqualität verbessern. Zumeist benötigen Patienten weniger Antibiotikatherapien, was letztlich die Lebenserwartung erhöhen kann.
Es gibt drei verschiedene Möglichkeiten, ein Immunglobulinpräparat zu verabreichen:
- Alle 2 bis 4 Wochen unter die Haut mit Unterstützung durch Hyaluronidase (subkutan; fSClg–Therapie)
- Wöchentlich unter die Haut (subkutan; SCIg-Therapie)
- Monatlich, in eine Vene (intravenös; IVIg-Therapie)
Gemeinsam mit dem Arzt und unter Berücksichtigung seiner gesundheitlichen Bedürfnisse und Lebensumstände, wählt der Patienten die für ihn beste Verabreichungsform aus.
Erfahren Sie mehr über Primärer und sekundärer Immundefekt.