Morbus Fabry, auch Anderson-Fabry-Syndrom, ist eine seltene, genetisch bedingte Stoffwechselerkrankung, von der circa einer von 40.000 Männern und eine von 20.000 Frauen betroffen sind. Bei Fabry-Betroffenen liegt ein Mangel oder ein vollständiges Fehlen des Enzyms α-Galaktosidase A in den Lysosomen vor, dadurch kommt es zu einer Störung beim Abbau zuckerhaltiger Fettstoffe. In der Folge werden diese Abfallprodukte des Zellstoffwechsels in den Zellen angereichert und schädigen progredient Gewebe und Organe. Morbus Fabry zählt zu den lysosomalen Speicherkrankheiten.
Hintergrund
Was ist eine lysosomale Speicherkrankheit?
Bei einer lysosomalen Speicherkrankheit wird eines der Enzyme im Lysosom bedingt durch einen genetischen Defekt nicht oder nicht ausreichend hergestellt. Dadurch können Stoffwechselprodukte nicht abgebaut werden und akkumulieren in Zellen. Sie führen zu Funktionsstörungen der Organe, eingeschränkter Lebensqualität und unter Umständen auch zu einer verkürzten Lebenserwartung.
Welches Enzym fehlt bei Morbus Fabry?
Bei Morbus Fabry besteht ein Mangel an oder ein vollständiges Fehlen des lysosomalen Enzyms α-Galaktosidase A (α-GalA).
Im physiologischen Kontext hydrolysiert α-GalA eine Untergruppe der Sphingolipide, die Glykosphingolipide (zuckerhaltige Fettstoffe). Diese Fettstoffe werden dann in Form von Ceramidtrihexosid (CTH)/Globotriaosylceramid (GL-3/Gb3) in den Zellen gespeichert. Durch die stetige Ansammlung der Fettsubstanz in den Zellen der Organe, wie in den Nieren, im Herz, im Rückenmark oder im peripheren Nervensystem (PNS), erleiden die betroffenen Organe und Gewebe dauerhaften Schaden.
Mit zunehmendem Alter sammeln sich die nicht verwerteten „Abfallstoffe“ der Zellen in mehr und mehr Organen an. Sie sind die Ursache für die verschiedenen Krankheitsmanifestationen.
Besonders betroffen sind die Zellen der Nieren, des Herzens, des Gehirns, des Rückenmarks und des peripheren Nervensystems (PNS).
Zu den lysosomalen Speicherkrankheiten gehören etwa 50 - 60 Erkrankungen, unter anderem Morbus Fabry, Morbus Gaucher und Morbus Hunter.
Ist Morbus Fabry vererbbar?
Morbus Fabry ist eine genetisch bedingte Erkrankung, die von betroffenen Eltern auf deren Kinder vererbt wird.
Ist Morbus Fabry ansteckend?
Die Fabry-Krankheit ist eine genetisch bedingte Erkrankung, sie ist also nicht ansteckend. Sie wird allerdings von betroffenen Müttern und Vätern an deren Kinder übertragen.
Mehr erfahren Sie unter Lysosomale Speicherkrankheiten (Morbus Fabry).
Ursachen
Die Ursache der Erkrankung Morbus Fabry ist ein Gendefekt, also eine Mutation im GAL-Gen, wodurch das lysosomale Enzym α-Galaktosidase A (α-GalA) im Körper vollständig fehlt oder in einer nicht vollständig aktiven oder sogar inaktiven Form hergestellt wird. Aufgrund einer defekten Enzymfunktion kommt es zu einer Störung des Fettstoffwechsels.
Bei zu geringer Konzentration an α-GalA ist der Fettabbau in den Zellen gestört und es kommt zu einer Ablagerung von Fetten in Form des Stoffwechselprodukts Globotriaosylceramid (Gb3) in Zellen, Blutgefäßen und Geweben.
Ausgelöst wird dies durch eine vererbte Veränderung des GLA-Gens, die zu einer eingeschränkten oder gänzlich fehlenden Funktion von α-GalA führt. Die dadurch zunehmenden Einlagerungen von Speicherstoffen in vaskuläre Endothelzellen und Organe sind die Ursache verschiedener Krankheitsmanifestationen:
- Herz
Typische Fabry-bedingte Schädigungen sind linksventrikuläre Muskelhypertrophien, Klappenfehlbildungen und Rhythmusstörungen - Niere
Insbesondere in den Podozyten finden sich Ablagerungen von Gb3, mit schwerwiegender Niereninsuffizienz bis hin zum terminalen Nierenversagen als Folge. - Nervensystem
Brennende Schmerzen in Händen und Füßen sind eines der frühesten Symptome von Morbus Fabry. Schlaganfälle und transitorische ischämische Attacken in jungem Alter (unter 55 Jahren) gehören zu den schwersten Auswirkungen einer Fabry-Erkrankung. - Haut
Hypohidrose/Anhidrose tritt oft schon im Kindesalter auf. Die Unfähigkeit zu schwitzen kann als eine Schädigung der Nerven oder eine Verstopfung der Schweißdrüsen durch Fabry-bedingte Ablagerungen interpretiert werden. - Augen
Gb3 lagert sich in der Hornhaut ab. - Magen und Darm
Schon Kinder mit Morbus Fabry leiden häufig unter schweren Bauchschmerzen.
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Symptome
Es existieren über 1.000 verschiedene Genmutationen, die für Morbus Fabry verantwortlich sind, und je nach Mutation und Restaktivität des Enzyms kann es zu unterschiedlich ausgeprägten Krankheitsmanifestationen und zu einer Vielzahl von individuellen Symptomen kommen. Bei manchen Genmutationen wird keine funktionsfähige Galaktosidase gebildet, entsprechend sind die Symptome stark ausgeprägt und treten früher auf.
Morbus Fabry ist eine multisystemische Erkrankung, das bedeutet, dass mehrere Organsysteme betroffen sind, außerdem kann die Krankheit unterschiedlich stark ausgeprägt sein. Häufig sind folgende Organsysteme betroffen:
- Kardio-vaskulär (Herz-Kreislauf)
Das Herz ist besonders oft betroffen bei Morbus Fabry, Veränderungen sind aber meist nur für den Arzt erkennbar. - Nephrologisch (Nieren)
Die Nieren leiden sehr oft bei Morbus Fabry, dies äußert sich als Proteinurie (Eiweiß im Urin), Niereninsuffizienz (Nierenversagen) und parapelvine Zysten (Zysten im Hüftbereich) - Zerebrovaskulär (Gehirn)
Schlaganfall und transitorische ischämische Attacken (ein vorübergehender Schlaganfall) treten schon bei Patient:innen unter 55 Jahren auf. Häufig treten auch Depressionen auf. - Neurologisch (Nervensystem)
Schädigungen von Nervenzellen erzeugen neuropathische Schmerzen, häufig äußern diese sich als brennende Schmerzen in Händen und Füßen.
- Gastro (Magen und Darm)
Diese äußern sich als Bauchschmerzen, Diarrhö/Durchfall, Völlegefühl und Übelkeit. - Dermatologisch (Haut)
Angiokeratome sind ein typisches Symptom bei Morbus Fabry, sie bezeichnen einen Ausschlag mit kleinen roten Punkten mit einer verdickten Haut. Hypo- und Anhidrose sind ebenfalls typisch, was bedeutet, dass die Patient*innen zu wenig oder gar nicht schwitzen können.
Die Symptome von Morbus Fabry sind vielfältig und bei jedem/jeder Patient:in individuell unterschiedlich. Außerdem verändern sie sich im Krankheitsverlauf.
Manche Patient*innen leiden unter unspezifischen Symptomen wie Schmerzen, wiederkehrenden Fieberschüben (vor allem bei Kindern), chronischer Fatigue und Depressionen. Die dauerhaften Beschwerden führen oft zu einer reduzierten körperlichen Belastbarkeit und einer eingeschränkten Lebensqualität. Typisch sind sogenannte Fabry-Krisen, dabei handelt es sich um Schmerzphasen, die ein paar Minuten oder auch mehrere Tage andauern können.
Zur Diagnose der Fabry-Krankheit bestimmen Ärzt*innen die Enzymaktivität mithilfe eines Trockenbluttests. Wenn nicht ausreichend Enzymaktivität vorhanden ist, kann der Krankheitsmarker Lyso-Gb3 im Blut nachgewiesen werden. Bei Männern reicht dies zur Diagnosestellung aus, bei Frauen ist eine zusätzliche molekulargenetische Diagnostik notwendig.
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Diagnose
Wann sollten Fachärzt*innen an Morbus Fabry denken?
Es gibt keine „eindeutigen Morbus Fabry-Symptome“, allerdings sollten bestimmte Symptome, vor allem in Kombination, Ärzt:innen an Morbus Fabry denken lassen und einen Test der Enzymaktivität und ggf. eine genetische Analyse veranlassen:
- Niereninsuffizienz unklarer Genese und Nierenversagen unklarer Ursache
- Linksventrikuläre Hypertrophie (LVH) unklarer Genese
- Niereninsuffizienz unklarer Genese und Nierenversagen unklarer Ursache
- Schlaganfall oder transitorische ischämische Attacke (TIA) in jungen Jahren (vor dem 55. Lebensjahr)
- Angiome und Angiokeratome
- Schwitzstörungen, verminderte Fähigkeit oder Unfähigkeit zu schwitzen, (Hypohidrose und Anhidrose)
- Frühe Todesfälle in der Verwandtschaft aufgrund von Nierenversagen oder Herzproblemen
- Speichenförmige Hornhauttrübung (Cornea verticillata)
Wie stellt man Morbus Fabry fest?
Besteht ein Verdacht auf M. Fabry, muss diese mittels Labordiagnostik gesichert werden. Bei Männern ist die Messung der Alpha-Galaktosidase-A (α-GalA)-Enzymrestaktivität bzw. des Biomarkers Lyso-Gb3 ausreichend. Bei Frauen muss außerdem ein Gentest zur Analyse des GLA-Gens erfolgen. Viele Patient*innen erhalten ihre Fabry-Diagnose erst nach jahrelanger Odyssee bei verschiedenen Fachärzt*innen, denn Morbus Fabry zeichnet sich durch sehr heterogene und unspezifische Symptome aus.
Warum ist eine Stammbaumanalyse bei Morbus Fabry angebracht?
Als X-chromosomale Erbkrankheit sind in jeder Familie meistens mehrere Personen betroffen. Durch eine Stammbaumanalyse können nicht-diagnostizierte Familienmitglieder identifiziert werden, selbst wenn sie keine oder nur geringe Fabry-Symptome zeigen.
Eine frühe Diagnose ist bei Morbus Fabry essenziell, denn einmal entstandene Organschäden sind therapeutisch nicht oder kaum reversibel. Deswegen gibt es Bestrebungen, neonatale Screening-Programme für Morbus Fabry und andere seltene Erkrankungen zu etablieren, um möglichst frühzeitig eine adäquate Therapie einleiten zu können.
Zur Diagnosestellung kann eine sorgfältige Familienanamnese hilfreich sein. Oft lassen sich Indizien für Fabry in der Verwandtschaft finden (z. B. Nierenversagen oder ein früher Herzinfarkt), die einen Bluttest zur Diagnosesicherung von Morbus Fabry rechtfertigen.
Das Gen für das bei Morbus Fabry betroffene Enzym alpha-Galaktosidase A liegt auf dem X-Chromosom, von dem Frauen zwei, Männer aber nur eines besitzen. Damit vererbt ein erkrankter Vater an alle seine Töchter ein geschädigtes X-Chromosom, an seine Söhne dagegen immer ein gesundes Y-Chromosom. Heterozygote Frauen, also Frauen mit einem geschädigten und einem gesunden X-Chromosom, geben an alle ihre Kinder unabhängig vom Geschlecht ein geschädigtes X-Chromosom mit einer Wahrscheinlichkeit von 50% weiter.
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Behandlung
Das Therapieziel bei Morbus Fabry ist das Entfernen von abgelagertem Speichermaterial, das durch die gestörte Spaltung von Sphingolipiden entsteht. Der Abbau von Gb3- Einlagerungen in den Zellen von Geweben und Organen wird mit dem Aufhalten der progressiven Abnahme von Organfunktionen und irreversiblen Schäden in Verbindung gebracht.
Durch das Fehlen oder die unzureichende Funktion des Enzyms α-Galaktosidase A lagern sich Sphingolipide wie Globotriaosylceramid (Gb3) in Körperzellen ab und führen zu progressiven Organschäden. Die Morbus Fabry-Therapie ist zum einen bestrebt, die Ursache, also den Enzymmangel, zu bekämpfen, anderseits ihre Auswirkungen zu minimieren und so die Lebenserwartung und Lebensqualität der Patient*innen zu optimieren.
Zu den heute eingesetzten, ursächlichen Therapien gehören die Enzymersatztherapie und die Chaperontherapie. Sie sollen den Lyso-Gb3-Spiegel in Zellen, Geweben und Organen verringern und das Fortschreiten von Organschädigungen verhindern. Hinzu kommen begleitende Therapien, um Symptome zu lindern und die Lebensqualität der Patient*innen zu verbessern.
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